pro Dessau-Roßlau

September 2020

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

am 03.10. begehen wir den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands. Die Stadtverwaltung wird dieses Ereignis mit einer Festveranstaltung würdigen. Im Rahmen dieser Festveranstaltung wird auch das durch Spenden von Bürgern finanzierte erste Ganzkörperdenkmal von Michael Gorbatschow auf dem Platz der Deutschen Einheit enthüllt.  Ich danke allen Spendern die dies möglich gemacht haben. Dabei ist es erstaunlich, dass unser Spendenaufruf über die Grenzen von Dessau-Roßlau hinaus gehört wurde. Die Liste der Spender wird in einer Zeitkapsel im Fundament des Denkmals eingelassen. Von einigen wenigen Spendern fehlen uns leider die Kontaktdaten. Deshalb konnte für diese bisher keine Spendenquittung erstellt werden. Die Betroffenen werden gebeten sich noch einmal beim Kulturamt der Stadtverwaltung zu melden.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber für mich sind die 30 Jahre Deutsche Einheit wie im Fluge vergangen. Nicht alles ist im Prozess der Vereinigung optimal gelaufen und die blühenden Landschaften leiden vieler Orts offensichtlich noch unter dem Niederschlagsmangel der letzten Jahre. Einige Dinge wie zum Beispiel das Bildungssystem der DDR hätten der Gesamtdeutschen Entwicklung einen Entwicklungsschub geben können. Vielleicht kommt man auch hier noch, bevor wir bei der Pisastudie auf dem letzten Platz landen, zu erhellenden Erkenntnissen. Bei den Polikliniken ist die Erkenntnis schon gekommen. Sie heißen jetzt MVZ.

Für die Nachgeborenen und die Vergesslichen ehemaligen DDR Bürger sei aber noch einmal darauf hingewiesen, wie desolat die DDR Industrie war, wie groß die Umweltschäden waren und das die Rohenergiebasis der DDR, die Braunkohle, nahezu aufgebraucht war, weil die Wirtschaftskraft nicht mehr ausreichte neue Tagebaue zu erschließen. Die Talfahrt unseres Lebensstandards war vorprogrammiert.

Wenn man heute das Gesicht unserer Städte sieht, hat sich schon vieles positiv verändert. Auch in der Beseitigung der Umweltschäden sind große Fortschritte gemacht worden. Es bleibt aber für die nächsten 20 Jahre noch viel zu tun um den Prozess der Angleichung der Lebensverhältnisse erfolgreich zu beenden.

Es fehlt mir in unserem Land zur Zeit ein wenig der Wille zu Veränderungen, es fehlt Gestaltungskraft. Wir reagieren nur, es fehlt die Bereitschaft in die Hände zu spucken und das Brutto Sozialprodukt zu steigern, Vielleicht sollte man diesen Schlager zur Motivation wieder täglich spielen.

Nun zu einem nicht erfreulichem Thema. Es scheint endgültig festzustehen, dass unser Karstadt Warenhaus schließt. Leider hat die Landesregierung wenig Engagement für die Unterstützung der städtischen Bemühungen zum Erhalt gezeigt. Nicht einmal ein von der Stadt gewünschter gemeinsamer Termin Wirtschaftsminister, Oberbürgermeister und Konzernleitung wurde erreicht. Als Stadtrat hat man wenige Möglichkeiten die unterschiedlichen Aussagen von Centermanager und vom Karstadt Betriebsrat zur Umsatzentwicklung von Karstadt in Dessau-Roßlau zu bewerten. Die Aussage des Center Managers zur überdimensionierten Verkaufsfläche pro Kopf in Dessau-Roßlau mit 2,3 m2  statt 1,8 m2 kann nicht unkommentiert bleiben. Erstens war Dessau-Roßlau schon immer ein Einkaufszentrum der Region und verträgt deshalb mehr Verkaufsfläche. Zweitens muss man bedenken, dass sich eine Erhöhung durch ein Überangebot von Baumarktflächen ergibt, die in die Gesamtfläche eingehen aber für den Innenstadthandel wenig relevant sind.

Drittens sind große Flächen, wie der ehemalige Praktiker Baumarkt oder Multi Polster, seit langem ohne Nutzung.

Wenn das Umland aber wieder zum Einkaufen in die Stadt kommen soll müssen wir dafür sorgen, dass die Innenstadt auch schnell erreichbar ist. Ampelschaltung, Baustellenmanagement und Geschwindigkeitsreduzierung bieten hier ein großes Optimierungspotenzial. Wir dürfen nicht länger warten und müssen die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und der Händlerschaft endlich auf eine neue Basis stellen.

Der Handel selbst muss aber durch attraktive Angebote wieder Käufer an Dessau-Roßlau binden damit sie nicht mehr nach Leipzig oder Berlin fahren. Hinsichtlich Attraktivität sehe ich auch die viel gepriesene Sanierung des Rathauscenters eher kritisch.

Die Attraktivität der Innenstädte kann auch durch mehr verkaufsoffene Sonntage gefördert werden. Davon könnten Gastronomie und Handel im gleichen Maße profitieren. Erst jetzt hat die Gewerkschaft Verdi eine gut gemeinte Initiative der Händler in Magdeburg durch richterlichen Beschluss verbieten lassen. Ich frage wie lange wir noch auf eine diesbezügliche Gesetzesinitiative, die beim Besuch des Wirtschaftsministers von der Stadt gefordert wurde, warten müssen. Vielleicht ist unsere Landesregierung jetzt wach geworden, weil es Magdeburg betraf.

Zum Abschluss noch eine erschreckende Erkenntnis. Als ich diese Tage verkehrsbedingt von Dessau Süd in die Heidestraße abbiegen müsste, sah ich zufällig im Augenwinkel die aufgestellte Stele „Bauhausstadt Dessau“. Diese wurde vom Wirtschafts- und Industrieclub gestiftet. Diese Initiative hatte bei der Politik große Zustimmung erhalten.

Nach jahrelanger Standortsuche steht sie nun so deplatziert, wie es nur geht, denn bei normaler Verkehrsführung verbleibt der überwiegende Teil der Verkehrsteilnehmer auf der Bundestraße. Schade um die Initiative, das Geld und die Nerven.

 

Hans-Georg Otto

Stadtrat

 

 

 

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